Duty-Free-Shop und die Boardkarte

Wer in einem Duty-Free-Shop einkauft, muss seine Boardkarte vorzeigen; diese wird dann gescannt. Ein Datenschützer, der in den Urlaub fliegen will, hat dann ein Problem: Er sucht nach der Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung.

Die Vertragserfüllung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DSGVO) scheidet aus: Es ist für den Kauf einer Zahnbürste nicht erforderlich, Flugdaten zu erfassen.

In Betracht kämen noch die berechtigten Interessen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO). Solche sind aber nicht ersichtlich und müssten ohnehin von dem Shopbetreiber gegenüber dem Käufer dargelegt und eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Es müsste also gemäß Art. 13 DSGVO informiert und auf das Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO) hingewiesen werden.

Auch eine Einwilligung, die ja immer freiwillig sein muss, liegt nicht vor. Dies sieht man daran, wenn man die Boardkarte nicht zeigt: Man bekommt dann keine Zahnbürste.

Es ist aber einfacher: Rechtsgrundlage ist die rechtliche Verpflichtung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c) DSGVO). Im Duty-Free-Shop kommt man ggf. in den Genuss von umsatzsteuer- und/oder zollfreier Waren. Diese sind abhängig vom Reiseziel. Die Duty-Free-Shop-Betreiber sind verpflichtet, gegenüber den Finanzämtern bestimmte Nachweispflichten zu erfüllen.

Was allerdings auffällt: Eine Information über die Datenverarbeitung nach Art. 13 DSGVO erfolgt nicht. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass nach Angaben des Flughafenverbandes ADV keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen. Dann wäre eine Information nach Art. 13 DSGVO auch nicht erforderlich. Dies geht rechtlich aber nur, wenn der Personenbezug komplett aufgehoben wird, also keine Zuordnung zu der konkreten Person möglich ist (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Nach der weiten Definition des Personenbezugs dürfte also niemand mehr mit wahrscheinlichen Mitteln den Personenbezug herstellen können. Wenn nur für eine Millisekunde aufgrund des Scans der Boardkarte ein Personenbezug vorhanden war, ist auch nach einer etwaigen Anonymisierung eine Information nach Art. 13 DSGVO erforderlich. Es wäre also spannend, sich einmal den genauen Datensatz anzuschauen, der beim Scannen der Karte erfasst und gespeichert wird.

EuGH zur Frage der Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf private YouTube-Videos

Der EuGH hat am 14. Februar 2019 ein Urteil gefällt, welches zwar noch unter der alten Datenschutzrichtlinie (Datenschutz-RL) spielte, allerdings auch für die Datenschutzgrundverordnung Geltung haben dürfe (Az. C-345/17).

Der Fall spielte in Lettland. Dort hatte ein Mann seine Befragung zu einer Ordnungswidrigkeit auf einer Polizeidienststelle gefilmt und anschließend auf YouTube veröffentlicht.

Der Fall warf zwei Fragen auf:

  1. Ist die Datenschutz-RL auch hier anwendbar, obwohl es sich um einen Privatmann und einen privaten Account handelt oder greift hier die Haushaltsausnahme (Art. 3 Abs. 2 Datenschutz-RL), wonach Datenschutzrecht keine Anwendung findet, wenn die Verarbeitung von natürlichen Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird?
  2. Kann sich der Mann auf das Medienprivileg (Art. 9 Datenschutz-RL) berufen?

Der EuGH stellte wenig überraschend nochmals klar, dass bereits das Filmen eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstelle, ebenso das Veröffentlichen des Films auf YouTube.

Die Haushaltsausnahme greife nicht, da die durch die Veröffentlichung auf YouTube eine Zugänglichmachung für eine unbestimmte Vielzahl von Personen erfolge. Der private bzw. familiäre Bereich werde damit überschritten.

Das Medienprivileg greife nur, wenn eine Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Ob dies vorliegt, müssen die Instanzgerichte klären.

Da beide Vorschriften ähnlich in der DSGVO geregelt sind (Haushaltsausnahme: Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO; Medienprivileg: Art. 85 DSGVO), hat das Urteil auch unter Geltung der DSGVO Bedeutung und schafft Klarheit.

Veröffentlichungen auf einem öffentlich zugänglichen Blog oder (öffentlich zugängliche) Posts auf einem sozialen Netzwerk unterfallen damit dem Anwendungsbereich der DSGVO. Insofern müsste der Einzelne also eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung haben und die Betroffenen auch nach Art. 13 DSGVO bzw. Art. 14 DSGVO über die Datenverarbeitung informieren.

Werbeanzeige im Freemail-Postfach keine unzulässige Werbung

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine Werbeanzeige im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Dienstes keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG darstellt (Urt. v. 15.01.2019 – 3 U 724/18).

Anders hatte es noch das LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 22.03.2018 – 3 HK O 4495/17) gesehen: Da die Werbeanzeige wie eine E-Mail im Posteingang, eingereiht unter den E-Mails, dargestellt werde, seien die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt.

Das OLG sah die Voraussetzung der elektronischen Post für nicht erfüllt und greift auf die Definition der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück:

„Aus der Gesamtschau der in der Definition von Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie verwendeten Begriffe „Post“, „Kommunikationsnetz“ und „Verschicken“ ergibt sich, dass elektronische Post nur bei der Versendung einer Nachricht von einem Nutzer an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen (wie beispielsweise ein E-Mail-Provider), welches die elektronische Beförderung an die elektronische „Anschrift“ (wie beispielsweise eine E-Mail-Adresse) des zweiten Nutzers übernimmt, vorliegt. Diese Bedeutung wird bestätigt durch Erwägungsgrund 44, der von einem elektronischen Postsystem – welches begriffsnotwendig die Möglichkeit von Kommunikation voraussetzt – spricht. Auch aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie ergibt sich, dass diese Regelungen dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17, Rn. 15 – Kundenzufriedenheitsbefragung).“

Rn. 68

Auch sei bei elektronischer Post die Übermittlung abgeschlossen. Hier allerdings werde die Anzeige von einem Adserver geladen.

Auch die Systematik und Sinn und Zweck spreche gegen eine Anwendung auf den hier vorliegenden Fall.

BGH: Kundenzufriedenheits-Umfrage ist Werbung

Der Versand von E-Mail-Newslettern wurde die letzten Monate fälschlicherweise immer im Rahmen der neu anwendbaren Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) problematisiert. Dabei ist dies weniger ein Problem des Datenschutzrechts als ein Problem des Wettbewerbsrechts – die Direktwerbung ist als berechtigtes Interesse im Rahmen des Art 6 Abs. 1. S. 1 lit f) DSGVO anerkannt, wie Erwägungsgrund 47 zeigt. § 7 UWG stuft aber Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne Einwilligung als unzumutbare Belästigung und damit als unlautere Handlung ein.

Eine aktuelle Entscheidung hierzu hat nun der Bundesgerichtshof getroffen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17): Danach ist auch dann der Tatbestand der Werbung erfüllt, wenn zwar per E-Mail eine Rechnung übermittelt wird, in dieser E-Mail aber zugleich eine Kundenzufriedenheits-Umfrage durchgeführt wird. Dies zeigt nochmals, wie schnell man als Versender von E-Mails unter den Begriff der Werbung fällt. Hier sollte man genau aufpassen, um sich nicht Unterlassungs- und Aufwendungsersatzansprüchen auszusetzen.

Der BGH stellt in dieser Entscheidung übrigens auch noch einmal etwas klar, was in der Praxis oft falsch gemacht wird: Der Empfänger einer solchen Werbung kann seine Ansprüche nicht auf das UWG stützen, da er weder Mitbewerber noch Verbraucherschutzverband nach dem Unterlassungsklagensgesetz ist. Sein Anspruch ergibt sich allein aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der BGH stellt in diesem Urteil aber auch klar, dass bei der Frage, ob ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB analog) vorliegt, die Regelungen des § 7 UWG im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung Berücksichtigung finden. § 7 UWG geht auf die EU-Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück und stellt die Umsetzung des Art. 13 dar. Im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung liege immer dann ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, wenn ein Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie vorliege.

Update am 25.09.2018: Hinweis auf Richtlinie 2002/58/EG ergänzt

OLG Frankfurt zur Verlinkung von Gesundheitsdaten durch Google

Jetzt ergehen die ersten Urteile zur neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auch wenn die Abmahnungen noch ausgeblieben sind, was vermutlich daran liegt, dass erstens ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vorliegen muss und zweitens auch die Abmahner aufgrund der noch bestehenden Rechtsunsicherheit in vielen Punkten keine unberechtigte Abmahnung aussprechen möchten (diese würde nach einem Teil der Rechtsprechung einen Kostenerstattungsanspruch des Abgemahnten auslösen), kommt der ein oder andere datenschutzrechtliche Fall nun trotzdem vor die Gerichte.

Überraschend hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.09.2018, Az. 16 U 193/17, zur Pressemitteilung) entschieden, dass durch Google verlinkte Gesundheitsdaten nicht gelöscht werden müssen, wenn sich im Rahmen einer Interessenabwägung ergebe, dass das Interesse der Presse an der Berichterstattung überwiegt. Hintergrund waren Berichte in Online-Medien über die Krankschreibung des Geschäftsführers einer bekannteren gemeinnützigen Organisation, welche über Google auffindbar waren. Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Google sie nicht löschen muss.

Die Entscheidung ist insofern interessant, als an die Verarbeitung von Gesundheitsdaten (und dazu gehört schon, ob jemand krank ist oder nicht, ohne die Krankheit näher zu bezeichnen), besonders hohe Anforderungen durch die DSGVO gestellt werden. Art. 9 DSGVO enthält hier einen abschließenden Katalog von gesetzlichen Erlaubnistatbeständen für die Verarbeitung. Ist hier keiner dabei, dürfen die Daten nicht verarbeitet werden. Bei diesem Katalog ist – anders als bei Nichtgesundheitsdaten – keine Auffangklausel wie die berechtigten Interessen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO vorhanden. Das OLG Frankfurt am Main hat dennoch eine eigentlich nur im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO mögliche Interessanabwägung vorgenommen und das Interesse an der Berichterstattung für höher gewertet.

Das Urteil liegt noch nicht in der Begründung vor. Diese dürfte aber spannend zu lesen sein.

CLOUD Act: Das Aus für den Datenschutz?

Jahrelang stritt Microsoft gegen die US-Regierung, um zu verhindern, dass die Regierung den Konzern zwingt, Daten herauszugeben, die auf Servern außerhalb der USA gespeichert werden. Eigentlich sollte der Supreme Court darüber entscheiden und dieses erwartete Urteil wurde bereits als „Entscheidung über die Zukunft unserer Privatsphäre“ bezeichnet (so etwa SPIEGEL ONLINE). Nun ist die US-Regierung durch ein Gesetz namens CLOUD Act (Clarifying Lawful Overseas Use of Data Act) dem Supreme Court zuvorgekommen: Dieser erklärte kurzerhand den Rechtsstreit für erledigt. Das Gesetz hat weitreichende Auswirkungen auf den Zugriff der US-Behörden auf Daten, welche außerhalb der USA gespeichert werden. Besonders prekär ist dabei, dass das Gesetz als Annex zum Haushaltsgesetz durchgewunken wurde. Eine Debatte darüber fand kaum statt.

Das Gesetz sieht den ungehinderten Zugriff der US-Behörden auf Daten außerhalb der USA vor, wenn US-Unternehmen diese Daten kontrollieren. Damit wird genau das wahr, was Microsoft verhindern wollte. Das Gesetz sieht weiter die Möglichkeit bilateraler Abkommen vor, welche den Datenzugriff untereinander regeln. Nur mit einem solchen Abkommen wird es möglich sein, Rechtsmittel und -kontrollen für Nicht-US-Bürger zu implementieren. Die EU hat, obwohl sie sich massiv gegen den Datenzugriff der US-Behörden auf europäische Server in dem Microsoft-Verfahren eingesetzt hatte, bereits Interesse an einem solchen Abkommen signalisiert, ja einen ähnlichen Vorschlag sogar selbst unterbreitet.

Der CLOUD Act ist eine Katastrophe für den Datenschutz. Gerade jetzt, wo am 25. Mai die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) in Kraft tritt und mit welcher der CLOUD Act nicht zu vereinbaren ist, wie zutreffend Kollege Dennis Jansen feststellt. Der EU wird allerdings nichts anderes übrig bleiben, als solch ein Abkommen zu schließen: Möchte ein Staat seine Bürger nicht ganz rechtlos stellen, wird er mit dem CLOUD Act nun gezwungen, ein Abkommen mit den USA zu schließen. Dann kann er sich zwar auch den Zugriff auf Daten in den USA gewähren lassen, gibt aber zugleich den Datenschutz im eigenen Land auf.

Dabei ist der Datenzugriff, der mit internationaler Kriminalität und Terrorismus gerechtfertigt wird, überhaupt nicht nötig: Dafür gibt es jetzt schon das Verfahren über die Rechtshilfe. Diese hätten nur beschleunigt werden müssen. Dann gäbe es aber ein rechtsstaatliches Verfahren.

Datenschutzbeauftragter: Ist der „Beschäftigte“ „beschäftigt“?

Große Unsicherheit besteht derzeit darüber, ab wie vielen Personen im Unternehmen ein Datenschutzbeauftragter bestellt werden muss.

Nach Art. 38 BDSG-neu müssen alle Unternehmen bzw. Sonstigen Verantwortlichen einen Datenschutzbeauftragten bestellen, wenn sie “in der Regel mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen”.

Hier der Art. 38 BDSG-neu im Wortlaut:

§ 38 Datenschutzbeauftragte nichtöffentlicher Stellen
(1) 1 Ergänzend zu Artikel 37 Absatz 1 Buchstabe b und c der Verordnung (EU) 2016/679 benennen der Verantwortliche und der Auftragsverarbeiter eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten, soweit sie in der Regel mindestens zehn Personen ständig mit der automatisierten Verarbeitung personenbezogener Daten beschäftigen. 2Nehmen der Verantwortliche oder der Auftragsverarbeiter Verarbeitungen vor, die einer Datenschutz-Folgenabschätzung nach Artikel 35 der Verordnung (EU) 2016/679 unterliegen, oder verarbeiten sie personenbezogene Daten geschäftsmäßig zum Zweck der Übermittlung, der anonymisierten Übermittlung oder für Zwecke der Markt- oder Meinungsforschung, haben sie unabhängig von der Anzahl der mit der Verarbeitung beschäftigten Personen eine Datenschutzbeauftragte oder einen Datenschutzbeauftragten zu benennen.

Die Regel scheint klar: Wenn 10 Personen erreicht sind, die ständig automatisiert Daten verarbeiten, so benötigt man einen Datenschutzbeauftragten. Aber wen zählt man mit? Dies ist weniger deutlich. Eines ist klar: Im Gegensatz zu der bisherigen Regelung des § 4f BDSG wird nicht mehr danach unterschieden, ob die Daten automatisiert oder “auf andere Weise” verarbeitet werden. Nur, wenn die 10 Personen Daten auch automatisiert verarbeiten, ist ein Datenschutzbeauftragter nötig. Automatisiert ist weit zu verstehen und umfasst letztlich jede Form von Datenverarbeitungsanlagen. Immer wenn ein Computer, Smartphone etc. im Spiel sind, liegt also eine automatisierte Verarbeitung vor. Anders als häufig geschrieben ist die Reinigungskraft, die lediglich den Papierkorb ausleert, nicht mitzuzählen; sie verarbeitet Daten nicht mit einer Datenverarbeitungsanlage.

Wer ist “beschäftigt”?

Streit herrscht aber darüber, wer “beschäftigt” ist. Muss der Geschäftsführer, müssen die Gesellschafter mitgezählt werden?

Nach derzeit noch geltendem Recht, dem § 4f BDSG, ist der Geschäftsführer und anderes Leitungspersonal nicht mitzuzählen, den sie sind “Beschäftigende”, aber keine “Beschäftigte” (vgl. etwa Gola/Klug, NJW 2007, 118 (120)). Aber gilt dies auch noch mit dem Inkrafttreten des § 38 BDSG-neu?

Argumente gegen das Mitzählen des Geschäftsführers und der Gesellschafter

Dafür spricht, dass auch der § 38 BDSG-neu eine deutsche Regelung ist. Der Regelungsgeber hat sich also nicht geändert. In der EU konnte man sich nicht auf eine Regelung, einen Datenschutzbeauftragten ab einer bestimmten Beschäftigtenanzahl zu bestellen, einigen, da manchen Mitgliedstaaten das Konzept des Datenschutzbeauftragten fremd war. Eine Regelung hat man europaweit daher nur für besonders gefahrgeneigte Verarbeitungsvorgänge getroffen und in Art. 37 DSGVO niedergeschrieben. Deutschland hingegen hat von der Öffnungsklausel Gebrauch gemacht und hält an der Notwendigkeit, einen Datenschutzbeauftragten ab einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern zu bestellen, fest. Dabei ist die Regelung des § 38 BDSG-neu vom WOrtlaut her mit der bisherigen Regelung des § 4f BDSG fast identisch. In der Gesetzesbegründung heißt es auch ausdrücklich, dass die Regelung “inhaltlich an den bisherigen § 4f Absatz 1 Satz 4 BDSG a. F. angelehnt” ist (vgl. BT-Drucks. 18/11325, S. 107). Danach müsste die bisherige Meinung eigentlich übertragbar sein.

Für eine Beibehaltung dahingehend, dass zumindest der Geschäftsführer nicht mitgerechnet wird, ebenso wenig Gesellschafter, spricht auch der § 28 Abs. 8 BDSG-neu. Dieser definiert den “Beschäftigten” im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes:

“8) Beschäftigte im Sinne dieses Gesetzes sind:

1.Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, einschließlich der Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer im Verhältnis zum Entleiher,

2.zu ihrer Berufsbildung Beschäftigte,

3.Teilnehmerinnen und Teilnehmer an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie an Abklärungen der beruflichen Eignung oder Arbeitserprobung (Rehabilitandinnen und Rehabilitanden),

4.in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen Beschäftigte,

5.Freiwillige, die einen Dienst nach dem Jugendfreiwilligendienstegesetz oder dem Bundesfreiwilligendienstgesetz leisten,

6.Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind; zu diesen gehören auch die in Heimarbeit Beschäftigten und die ihnen Gleichgestellten,

7.Beamtinnen und Beamte des Bundes, Richterinnen und Richter des Bundes, Soldatinnen und Soldaten sowie Zivildienstleistende.”

Argumente gegen das Mitzählen des Geschäftsführers und der Gesellschafter

Also alles klar? Können sich Unternehmen schon freuen, und Geschäftsführer und Gesellschafter außen vor lassen? Damit würden sicher einige kleinere Betriebe unter die Schwelle zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten kommen. Nein, ganz so einfach ist es leider nicht.

Gerade dem letzten Argument kann man entgegenhalten, dass § 38 BDSG-neu das Verb “beschäftigt” und § 26 Abs. 8 BDSG-neu das Substantiv “Beschäftigter” verwendet. Ist damit dann dasselbe gemeint? Weiter spricht die Formulierung “Der Verantwortliche benennt, soweit er beschäftigt” von einer Abstrahierung des Verantwortlichen. Schließlich ist es unerheblich für das Risiko, das mit der Datenverarbeitung einhergeht, ob auf die Daten Geschäftsführer, Gesellschafter oder einfache Mitarbeiter zugreifen. Umso mehr Personen automatisiert verarbeiten, desto größer das Risiko. So scheinen es auch die meisten Aufsichtsbehörden zu sehen, welche die Geschäftsführer und Gesellschafter offenbar mitzählen.

Hier wird wohl erst eine Gerichtsentscheidung Klarheit schaffen. Der EuGH ist hier aber nicht berufen, da es sich um eine deutsche Regelung handelt, die auch nicht auf eine Richtlinie zurückgeht.

Sicherster Weg: Zählen Sie mit!

DSGVO: Handreichung des BayLDA für kleine Unternehmen und Vereine

64 Tage: So lange haben Unternehmen noch Zeit, sich auf die Anwendbarkeit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vorzubereiten. Trotz der langen Übergangszeit von zwei Jahren sind viele Unternehmen jetzt erst dabei, die entsprechenden Maßnahmen zu ergreifen. Dies zeigt auch die anwaltliche Praxis von uns Datenschutzanwälte, die wir uns derzeit vor Anfragen nicht mehr „retten“ können.

Das Bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht (BayLDA) hat nun Handreichungen für kleine Unternehmen und Vereine veröffentlicht, die diese bei der Umsetzung der Datenschutzmaßnahmen unterstützen sollen.

Arztpraxen

Sie enthalten auch überraschende Äußerungen der Datenschutzbehörde: So soll in Arztpraxen mit weniger als 10 Mitarbeitern, die ständig automatisiert Daten verarbeiten, nach Ansicht des BayLDA kein Datenschutzbeauftragter notwendig sein. Darüber kann man aber trefflich streiten: Art. 37 DSGVO sieht vor, dass ein Datenschutzbeauftragter auch dann bestellt werden soll, wenn

c) die Kerntätigkeit des Verantwortlichen oder des Auftragsverarbeiters in der umfangreichen Verarbeitung besonderer Kategorien von Daten gemäß Artikel 9 oder von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 besteht.

Unklar ist, was unter Kerntätigkeit zu verstehen ist. Bei Ärzten ist zwar die Kerntätigkeit die Behandlung von Patienten, man hätte aber durchaus argumentieren können, dass im Rahmen dieser Behandlung ja auch die besonderen Kategorien personenbezogener Daten in Form von Gesundheitsdaten anfallen, sodass sie auch bei weniger als 10 Personen unter die Verpflichtung zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten fallen. Dies sieht das BayLDA offenbar nicht so.

Auch eine Datenschutz-Folgenabschätzung soll bei Arztpraxen nicht standardmäßig erforderlich sein. Art. 35 Abs. 3 DSGVO sieht vor:

(3) Eine Datenschutz-Folgenabschätzung gemäß Absatz 1 ist insbesondere in folgenden Fällen erforderlich:

a) (…)

b) umfangreiche Verarbeitung besonderer Kategorien von personenbezogenen Daten gemäß Artikel 9 Absatz 1 oder von personenbezogenen Daten über strafrechtliche Verurteilungen und Straftaten gemäß Artikel 10 oder (…)

Das BayLDA vertritt die Auffassung, dass „auch bei Gesundheitsdaten nicht immer ein hohes Risiko bei der Datenverarbeitung“ bestehe. Auch dies kann man anders sehen.

 Steuerberater

Auch Steuerberater fallen laut BayLDA nicht unter Art. 37 Abs. 1 lit. c DSGVO, obwohl auch diese im Rahmen der Lohnabrechnungen besondere Kategorien personenbezogener Daten verarbeiten in Form der religiösen Überzeugung (Art. 9 Abs. 1 DSGVO).

Neue Regelungen für Berufsgeheimnisträger in Kraft getreten

Am heutigen Tag tritt das Gesetz zur Neuregelung des Schutzes von Geheimnissen bei der Mitwirkung Dritter an der Berufsausübung schweigepflichtiger Personen in Kraft. Die Verkündung im Bundesgesetzblatt erfolgte gestern.

Damit können Berufsgeheimnisträger nun Dienstleister einbeziehen, was erstmals ein rechtskonformes Outsourcing und auch die Nutzung von Cloud-Diensten ermöglicht, sofern der Dienstleister auf die Verschwiegenheit verpflichtet wird. Dazu werden insbesondere § 203 StGB sowie die einzelnen Berufsordnungen geändert. Für Rechtsanwälte wurde der neue § 43e BRAO geschaffen.

Nähere Informationen finden Sie in meinen früheren Posts hier, hier und hier.

Sehr streitig wird noch werden, was unter Dienstleistungen zu verstehen ist, die unmittelbar einem Mandat dienen (§ 43e Abs. 5 BRAO). Hierzu reicht die Verpflichtung zur Verschwiegenheit nämlich nicht aus, sondern es bedarf zusätzlich der Einwilligung des Mandanten. In der Gesetzesbegründung sind die Beauftragung eines Sachverständigen, eines Detektivs oder eines Übersetzers genannt (BT-Drucks.  18/11936, S. 36).  Entscheidend dafür, ob die Dienstleistung unmittelbar einem Mandat dient, soll laut Gesetzesbegründung nicht die Vertragsgestaltung sein, sondern die Frage, ob für die jeweilige Dienstleistung, die in Anspruch genommen werden soll, ein besonderer Bedarf im einzelnen Mandat besteht. Hier sehe ich noch Unklarheiten mit der Folge, dass trotz der Neufassung eine gewisse Rechtsunsicherheit bestehen bleibt. Dies sieht auch Prof. Dr. Thomas Hoeren in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Datenschutz so (vgl. ZD 2017, 501).

Datenschützer kritisiert unverschlüsselte E-Mails bei Berufsgeheimnisträgern

In seinem 8. Tätigkeitsbericht für den Landtag kritisiert der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig, dass die viele Rechtsanwälte unverschlüsselt über E-Mail kommunizieren. Er begründet dies mit „Zeit und Kostendruck“ (8. Tätigkeitsbericht, Ziffer 8.13, Seite 8, zum Bericht bei heise.de).

Weiter schreibt er:

Ich gehe daher davon aus bzw. fordere dies gegebenenfalls, dass Rechtsanwälte ihre EMails zukünftig verschlüsseln oder aber ihre Schriftsätze per Fax und/oder Briefpost versenden.

Hier kann ich nur widersprechen: Es liegt nicht daran, dass wir Rechtsanwälte nicht verschlüsseln möchten, sondern dass zum Verschlüsseln bei der asymmetrischen Verschlüsselung immer zwei Personen notwendig sind. Der Mandant muss also auch etwa PGP/GPG einsetzen. Obwohl dies kostenlos möglich ist, ist anscheinend die technische Hürde noch so hoch, dass Mandanten dies nicht wünschen. Selbst in meinem IT-Recht-Umfeld, in dem die meisten Mandanten technisch versiert sind.

Ich biete den Mandanten immer an, verschlüsselt zu kommunizieren, allerdings ist ihnen dies meist zu umständlich. Wirklich daran ändern wird sich nur etwas, wenn die PGP-/GPG-Verschlüsselung in der Bevölkerung mehr Verbreitung findet. Initiativen, wie sie etwa United Internet (GMX, Web.de), Mailbox.org oder Posteo mit der Implementation von PGP im Webmailer mit dem Plugin Mailvelope oder auch ProtonMail ergreifen, sind sehr wichtig, haben aber zumindest meiner Erfahrung nach noch nicht zu einem Umdenken bei den meisten Internetnutzern geführt.

Die Alternative kann nicht sein – wie von Sachsens oberstem Datenschützer gefordert – Schriftsätze im Entwurf zukünftig wieder per Post an den Mandanten zu verschicken, sondern ist der konsequente Einsatz von Verschlüsselung.

Seit kurzem gibt es ja noch eine Möglichkeit der verschlüsselten Kommunikation: Den EGVP-Bürger-Client, mit dem sich Bürger ein Postfach einrichten und mit dem Rechtsanwalt über dessen besonderes persönliches Anwaltspostfach (beA) Ende-zu-Ende verschlüsselt kommunizieren können. Das System hat aber zwei Schwächen: Ich befürchte, dass wenige Mandanten sich den Client extra installieren und sich ein Postfach einrichten werden; darüber hinaus erfolgt keine Identifizierung, sodass im Prinzip jeder ein Postfach auf den Namen seines Nachbarn einrichten könnte. Aber es ist ein weiterer Weg, eine verschlüsselte Kommunikation zu ermöglichen.