Datenschutzbeauftragter künftig erst ab 20 Mitarbeiter

Überraschend schnell wurde am Donnerstag, 27.06.2019, nun ein Gesetz verabschiedet, mit dem kleinere Unternehmen beim Datenschutz entlastet werden sollen.

Künftig ist ein Unternehmen erst ab 20 Mitarbeitern, die automatisiert personenbezogene Daten verarbeiten, zur Bestellung eines Datenschutzbeauftragten verpflichtet (wenn nicht ein sonstiger Fall des Art. 37 DSGVO vorliegt: Kerntätigkeit umfangreiche regelmäßige und systematische Überwachung bzw. umfangreiche Verarbeitung besondere Kategorien von Daten oder von Daten über strafrechtliche Verurteilungen). Geändert wird also der jetzige § 38 Abs. 1 BDSG.

Der Bundestag konnte das Gesetz beschließen, da die Regelung eine deutsche ist; Deutschland geht bei der Bestellpflicht eines Datenschutzbeauftragten also über die Regelungen der DSGVO hinaus.

Das Gesetz bedarf noch der Zustimmung des Bundesrats.

Worauf man sich noch nicht einigen konnte, sind Regelungen hinsichtlich der Meinungsfreiheit im Rahmen von Art. 85 DSGVO, insbesondere im Hinblick auf das Kunsturhebergesetz. Dies führt noch zu erheblicher Rechtsunsicherheit. Dies soll noch folgen. Das Kunsturhebergesetz stammt von 1907 und regelt insbesondere die Veröffentlichung von Fotos. Es sieht eine ganze Reihe von Regelungen vor, bei denen eine Einwilligung nicht erforderlich ist (§ 23 KunstUrhG). Diese Regelungen enthält die DSGVO, unter die die Bildveröffentlichung auch fällt, nicht. Das OLG Köln war eines der ersten Gerichte, welches das Gesetz weiterhin für anwendbar befunden hat (OLG Köln, Beschluss vom 18.06.2018 – 15 W 27/18). Es handelt sich aber um eine Einzelentscheidung und erging zu Medien. Die Rechtsprechung dürfte damit auf Nicht-Medien nicht übertragbar sein.

DSGVO-Bußgeld gegen Beamten und somit auch gegen Arbeitnehmer?

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit Baden-Württemberg hat erstmals ein Bußgeld gegen einen Polizeibeamten verhängt. Und dieses Bußgeld zeigt, dass auch Arbeitnehmer für DSGVO-Verstöße mit einem Bußgeld sanktioniert werden können.

Sachverhalt

Ein Polizeibeamter hatte über seine dienstliche Benutzerkennung eine Halterabfrage beim Kraftfahrbundesamt und anschließend eine Anfrage bei der Bundesnetzagentur getätigt, um an die Handynummer einer privaten Zufallsbekannten zu kommen. Diese verwendete er dann, um sie zu kontaktieren.

Bußgeld der Aufsichtsbehörde

Die Aufsichtsbehörde verhängte gegen den Polizisten ein Bußgeld in Höhe von 1.400 € wegen Verstoßes gegen die DSGVO. Die Entscheidung ist aus zwei Gründen interessant: Normalerweise ist Adressat eines DSGVO-Bußgeldes immer der Arbeitgeber, nicht der Arbeitnehmer. Und öffentliche Stellen in Deutschland müssen sich zwar an das Datenschutzrecht halten, erhalten aber kein Bußgeld, da aufgrund gesetzlicher Regelungen (in Baden-Württemberg: § 28 LDSG) ein solches ausgeschlossen ist. Man möchte also nicht, dass öffentliche Stellen Bußgelder zahlen, die dann sozusagen von der linken in die rechte Tasche des Staates wandern.

Bußgeld für den Arbeitnehmer

Warum erhielt der Polizist das Bußgeld? Die meisten Menschen denken, ein Bußgeld treffe den Arbeitgeber, nicht den Arbeitnehmer. Dies ist grundsätzlich auch richtig, wenn ein Arbeitnehmer einen Datenschutzverstoß begeht im Rahmen der Datenverarbeitung des Arbeitgebers. In diesem Fall ist der Arbeitgeber grundsätzlich der Verantwortliche, den das Bußgeld trifft. In dem hiesigen Bußgeldfall hat der Arbeitnehmer allerdings einen eigenen Zweck verfolgt, nämlich die Datenabfragen getätigt, um die Telefonnummer seiner privaten Bekanntschaft herauszubekommen. Er hat nicht für den Arbeitgeber gehandelt. Er wurde damit selber datenschutzrechtlich Verantwortlicher im Sinne des Art. 4 Nummer 7 DSGVO. Dieser lautet:

„Verantwortlicher” [ist] die natürliche oder juristische Person, Behörde, Einrichtung oder andere Stelle, die allein oder gemeinsam mit anderen über die Zwecke und Mittel der Verarbeitung von personenbezogenen Daten entscheidet;“

Der Polizist hat einen eigenen Zweck verfolgt und wurde damit zum Verantwortlichen. Da es keine persönliche bzw. familiäre Tätigkeit des Polizisten war, sondern er seine dienstliche Kennung verwendete, fiel die Handlung auch nicht unter die Haushaltsausnahme des Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO.

Zu der eigenen Verantwortlichkeit und der Haushaltsausnahme schweigt die Presseerklärung des LfDI allerdings.

Bußgeld gegen die öffentliche Stelle

Es handelte somit sich auch nicht um ein Bußgeld zulasten einer öffentlichen Stelle, sondern um ein Bußgeld zulasten einer nicht-öffentlichen Stelle, sodass § 28 LDSG, das Verbot von DSGVO-Bußgeldern zulasten des Staates, auch keine Anwendung fand.

Konsequenz

Das Urteil zeigt: Auch Arbeitnehmer können DSGVO-Bußgelder erhalten, wenn sie eine Datenverarbeitung vornehmen, bei der sie über Mittel und Zweck der Datenverarbeitung entscheiden und damit zum Verantwortlichen werden. Wenige Arbeitnehmer werden so weitreichende Abfragebefugnisse haben wie der Polizist. Aber auch diese sind von einer Überschreitung ihrer Kompetenzen nicht gefeit: Allein die Verwendung eine Telefonnummer aus dem ERP-Programm zu privaten Zwecken würde denselben Tatbestand erfüllen. Oder aber die Weitergabe einer Telefonnummer eines Bewerbers für einen Bekannten, der ebenso einen solchen Bewerber sucht. Gut gemeint kann also gefährlich werden.

Duty-Free-Shop und die Boardkarte

Wer in einem Duty-Free-Shop einkauft, muss seine Boardkarte vorzeigen; diese wird dann gescannt. Ein Datenschützer, der in den Urlaub fliegen will, hat dann ein Problem: Er sucht nach der Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung.

Die Vertragserfüllung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. b) DSGVO) scheidet aus: Es ist für den Kauf einer Zahnbürste nicht erforderlich, Flugdaten zu erfassen.

In Betracht kämen noch die berechtigten Interessen (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO). Solche sind aber nicht ersichtlich und müssten ohnehin von dem Shopbetreiber gegenüber dem Käufer dargelegt und eine Interessenabwägung vorgenommen werden. Es müsste also gemäß Art. 13 DSGVO informiert und auf das Widerspruchsrecht (Art. 21 DSGVO) hingewiesen werden.

Auch eine Einwilligung, die ja immer freiwillig sein muss, liegt nicht vor. Dies sieht man daran, wenn man die Boardkarte nicht zeigt: Man bekommt dann keine Zahnbürste.

Es ist aber einfacher: Rechtsgrundlage ist die rechtliche Verpflichtung (Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. c) DSGVO). Im Duty-Free-Shop kommt man ggf. in den Genuss von umsatzsteuer- und/oder zollfreier Waren. Diese sind abhängig vom Reiseziel. Die Duty-Free-Shop-Betreiber sind verpflichtet, gegenüber den Finanzämtern bestimmte Nachweispflichten zu erfüllen.

Was allerdings auffällt: Eine Information über die Datenverarbeitung nach Art. 13 DSGVO erfolgt nicht. Eine Erklärung könnte darin liegen, dass nach Angaben des Flughafenverbandes ADV keine personenbezogenen Daten verarbeitet werden sollen. Dann wäre eine Information nach Art. 13 DSGVO auch nicht erforderlich. Dies geht rechtlich aber nur, wenn der Personenbezug komplett aufgehoben wird, also keine Zuordnung zu der konkreten Person möglich ist (Art. 4 Nr. 1 DSGVO). Nach der weiten Definition des Personenbezugs dürfte also niemand mehr mit wahrscheinlichen Mitteln den Personenbezug herstellen können. Wenn nur für eine Millisekunde aufgrund des Scans der Boardkarte ein Personenbezug vorhanden war, ist auch nach einer etwaigen Anonymisierung eine Information nach Art. 13 DSGVO erforderlich. Es wäre also spannend, sich einmal den genauen Datensatz anzuschauen, der beim Scannen der Karte erfasst und gespeichert wird.

EuGH zur Frage der Anwendbarkeit des Datenschutzrechts auf private YouTube-Videos

Der EuGH hat am 14. Februar 2019 ein Urteil gefällt, welches zwar noch unter der alten Datenschutzrichtlinie (Datenschutz-RL) spielte, allerdings auch für die Datenschutzgrundverordnung Geltung haben dürfe (Az. C-345/17).

Der Fall spielte in Lettland. Dort hatte ein Mann seine Befragung zu einer Ordnungswidrigkeit auf einer Polizeidienststelle gefilmt und anschließend auf YouTube veröffentlicht.

Der Fall warf zwei Fragen auf:

  1. Ist die Datenschutz-RL auch hier anwendbar, obwohl es sich um einen Privatmann und einen privaten Account handelt oder greift hier die Haushaltsausnahme (Art. 3 Abs. 2 Datenschutz-RL), wonach Datenschutzrecht keine Anwendung findet, wenn die Verarbeitung von natürlichen Personen zur Ausübung ausschließlich persönlicher oder familiärer Tätigkeiten vorgenommen wird?
  2. Kann sich der Mann auf das Medienprivileg (Art. 9 Datenschutz-RL) berufen?

Der EuGH stellte wenig überraschend nochmals klar, dass bereits das Filmen eine Verarbeitung personenbezogener Daten darstelle, ebenso das Veröffentlichen des Films auf YouTube.

Die Haushaltsausnahme greife nicht, da die durch die Veröffentlichung auf YouTube eine Zugänglichmachung für eine unbestimmte Vielzahl von Personen erfolge. Der private bzw. familiäre Bereich werde damit überschritten.

Das Medienprivileg greife nur, wenn eine Veröffentlichung ausschließlich zum Ziel hat, Informationen, Meinungen oder Ideen in der Öffentlichkeit zu verbreiten. Ob dies vorliegt, müssen die Instanzgerichte klären.

Da beide Vorschriften ähnlich in der DSGVO geregelt sind (Haushaltsausnahme: Art. 2 Abs. 2 lit. c) DSGVO; Medienprivileg: Art. 85 DSGVO), hat das Urteil auch unter Geltung der DSGVO Bedeutung und schafft Klarheit.

Veröffentlichungen auf einem öffentlich zugänglichen Blog oder (öffentlich zugängliche) Posts auf einem sozialen Netzwerk unterfallen damit dem Anwendungsbereich der DSGVO. Insofern müsste der Einzelne also eine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung haben und die Betroffenen auch nach Art. 13 DSGVO bzw. Art. 14 DSGVO über die Datenverarbeitung informieren.

Kein Hygieneproblem beim Widerruf von Matratzen?

Der Bundesgerichtshof hat dem EuGH die Frage vorgelegt, ob ein Widerrufsrecht auch bei Matratzen bestehe oder ob die Hygieneausnahme des Art. 16 lit. e) der Verbraucherrechterichtlinie (VRRL, RL 2011/83/EU) greife (BGH, Vorlagebeschl. v. 15.11.2017 – VIII ZR 194/16). Nun liegen die Schlussanträge des Generalanwalts vor.

Im deutschen Recht findet sich die Umsetzung der Ausnahme in § 312g Abs. 2 Nr. 3 BGB:

§ 312g Widerrufsrecht
(1) (…)

(2) Das Widerrufsrecht besteht, soweit die Parteien nichts anderes vereinbart haben, nicht bei folgenden Verträgen:

(…)

3.Verträge zur Lieferung versiegelter Waren, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder der Hygiene nicht zur Rückgabe geeignet sind, wenn ihre Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde,

Im vorliegenden Fall hatte der Kläger auf Rückzahlung des Kaufpreises geklagt, nachdem er eine Matratze in einem Online-Shop bestellt und dann den Vertrag widerrufen hatte. Der Shopbetreiber hatte sich auf die Ausnahme gestützt, da die Matratze versiegelt gewesen war und das Siegel entfernt wurde. Die Ausnahme war auch in der Widerrufsbelehrung und den AGB aufgeführt. Das Amtsgericht und das Landgericht Mainz hatten dem Kläger recht gegeben, die Ausnahme greife nicht, da die Matratze kein Hygieneartikel sei, der von der Vorschrift umfasst sei.

Nun liegen die Schlussanträge des Generalanwalts vor. Der EuGH hat also noch nicht entschieden, es handelt sich bisher lediglich um eine Empfehlung des Generalanwalts, denen der EuGH meist allerdings folgt.

Der Generalanwalt sieht hier ein Widerrufsrecht. Dies Ausnahme greife nicht. Zwar gesteht er ein, dass unter Umständen Verbraucher kein Spannbettlaken verwenden würden zum Testen. Allerdings greife die Hygiene-Ausnahme trotzdem nicht. Der Generalanwalt zieht zum einen einen Vergleich mit Kleidung, die ausdrücklich als widerrufsfähig anerkannt sei (Erwägungsgrund 47 der VRRL). Zum anderen stellt er darauf ab, dass eine Matratze durch entsprechende Reinigungsmaßnahmen wieder verkehrsfähig gemacht werden könne. Schließlich gebe es für den Unternehmer Wertersatz, wenn die Matratze einen Wertverlust aufweise, der auf einen Umgang mit der Matratze zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit der Ware nicht notwendig war.

Die Entscheidung zeigt wieder einmal: Die Ausnahmen vom Widerrufsrecht sind sehr restriktiv und im Zweifel für den Verbraucher auszulegen. Die Reinigung einer Matratze ist doch mit einem erheblichen Aufwand verbunden und der Wertersatz dürfte recht spät greifen, da unklar ist, was der Verbraucher zur Prüfung der Beschaffenheit alles mit der Matratze tun darf. Das Nächtigen dürfte also erlaubt sein, denn wie soll man die Matratze sonst testen? Und man soll ja in der Nacht mindestens einen Liter Schweiß verlieren.

Werbeanzeige im Freemail-Postfach keine unzulässige Werbung

Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass eine Werbeanzeige im Posteingang eines kostenlosen E-Mail-Dienstes keine unzumutbare Belästigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S. 1 UWG darstellt (Urt. v. 15.01.2019 – 3 U 724/18).

Anders hatte es noch das LG Nürnberg-Fürth (Urt. v. 22.03.2018 – 3 HK O 4495/17) gesehen: Da die Werbeanzeige wie eine E-Mail im Posteingang, eingereiht unter den E-Mails, dargestellt werde, seien die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt.

Das OLG sah die Voraussetzung der elektronischen Post für nicht erfüllt und greift auf die Definition der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück:

„Aus der Gesamtschau der in der Definition von Art. 2 S. 2 lit. h Datenschutzrichtlinie verwendeten Begriffe „Post“, „Kommunikationsnetz“ und „Verschicken“ ergibt sich, dass elektronische Post nur bei der Versendung einer Nachricht von einem Nutzer an einen anderen Nutzer durch ein Dienstleistungsunternehmen (wie beispielsweise ein E-Mail-Provider), welches die elektronische Beförderung an die elektronische „Anschrift“ (wie beispielsweise eine E-Mail-Adresse) des zweiten Nutzers übernimmt, vorliegt. Diese Bedeutung wird bestätigt durch Erwägungsgrund 44, der von einem elektronischen Postsystem – welches begriffsnotwendig die Möglichkeit von Kommunikation voraussetzt – spricht. Auch aus den Erwägungsgründen 1, 12 und 40 sowie Art. 1 Abs. 1 Datenschutzrichtlinie ergibt sich, dass diese Regelungen dem Schutz der Privatsphäre der Nutzer im Bereich der elektronischen Kommunikation dienen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17, Rn. 15 – Kundenzufriedenheitsbefragung).“

Rn. 68

Auch sei bei elektronischer Post die Übermittlung abgeschlossen. Hier allerdings werde die Anzeige von einem Adserver geladen.

Auch die Systematik und Sinn und Zweck spreche gegen eine Anwendung auf den hier vorliegenden Fall.

BGH: Kundenzufriedenheits-Umfrage ist Werbung

Der Versand von E-Mail-Newslettern wurde die letzten Monate fälschlicherweise immer im Rahmen der neu anwendbaren Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) problematisiert. Dabei ist dies weniger ein Problem des Datenschutzrechts als ein Problem des Wettbewerbsrechts – die Direktwerbung ist als berechtigtes Interesse im Rahmen des Art 6 Abs. 1. S. 1 lit f) DSGVO anerkannt, wie Erwägungsgrund 47 zeigt. § 7 UWG stuft aber Werbung unter Verwendung elektronischer Post ohne Einwilligung als unzumutbare Belästigung und damit als unlautere Handlung ein.

Eine aktuelle Entscheidung hierzu hat nun der Bundesgerichtshof getroffen (BGH, Urteil vom 10. Juli 2018 – VI ZR 225/17): Danach ist auch dann der Tatbestand der Werbung erfüllt, wenn zwar per E-Mail eine Rechnung übermittelt wird, in dieser E-Mail aber zugleich eine Kundenzufriedenheits-Umfrage durchgeführt wird. Dies zeigt nochmals, wie schnell man als Versender von E-Mails unter den Begriff der Werbung fällt. Hier sollte man genau aufpassen, um sich nicht Unterlassungs- und Aufwendungsersatzansprüchen auszusetzen.

Der BGH stellt in dieser Entscheidung übrigens auch noch einmal etwas klar, was in der Praxis oft falsch gemacht wird: Der Empfänger einer solchen Werbung kann seine Ansprüche nicht auf das UWG stützen, da er weder Mitbewerber noch Verbraucherschutzverband nach dem Unterlassungsklagensgesetz ist. Sein Anspruch ergibt sich allein aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht im Rahmen des § 823 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB. Der BGH stellt in diesem Urteil aber auch klar, dass bei der Frage, ob ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht (§ 823 Abs. 1 BGB analog) vorliegt, die Regelungen des § 7 UWG im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung Berücksichtigung finden. § 7 UWG geht auf die EU-Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Richtlinie 2002/58/EG) zurück und stellt die Umsetzung des Art. 13 dar. Im Rahmen der europarechtskonformen Auslegung liege immer dann ein Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht vor, wenn ein Verstoß gegen Art. 13 der Richtlinie vorliege.

Update am 25.09.2018: Hinweis auf Richtlinie 2002/58/EG ergänzt

OLG Frankfurt zur Verlinkung von Gesundheitsdaten durch Google

Jetzt ergehen die ersten Urteile zur neuen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Auch wenn die Abmahnungen noch ausgeblieben sind, was vermutlich daran liegt, dass erstens ein konkretes Wettbewerbsverhältnis vorliegen muss und zweitens auch die Abmahner aufgrund der noch bestehenden Rechtsunsicherheit in vielen Punkten keine unberechtigte Abmahnung aussprechen möchten (diese würde nach einem Teil der Rechtsprechung einen Kostenerstattungsanspruch des Abgemahnten auslösen), kommt der ein oder andere datenschutzrechtliche Fall nun trotzdem vor die Gerichte.

Überraschend hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 06.09.2018, Az. 16 U 193/17, zur Pressemitteilung) entschieden, dass durch Google verlinkte Gesundheitsdaten nicht gelöscht werden müssen, wenn sich im Rahmen einer Interessenabwägung ergebe, dass das Interesse der Presse an der Berichterstattung überwiegt. Hintergrund waren Berichte in Online-Medien über die Krankschreibung des Geschäftsführers einer bekannteren gemeinnützigen Organisation, welche über Google auffindbar waren. Das OLG Frankfurt hat entschieden, dass Google sie nicht löschen muss.

Die Entscheidung ist insofern interessant, als an die Verarbeitung von Gesundheitsdaten (und dazu gehört schon, ob jemand krank ist oder nicht, ohne die Krankheit näher zu bezeichnen), besonders hohe Anforderungen durch die DSGVO gestellt werden. Art. 9 DSGVO enthält hier einen abschließenden Katalog von gesetzlichen Erlaubnistatbeständen für die Verarbeitung. Ist hier keiner dabei, dürfen die Daten nicht verarbeitet werden. Bei diesem Katalog ist – anders als bei Nichtgesundheitsdaten – keine Auffangklausel wie die berechtigten Interessen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO vorhanden. Das OLG Frankfurt am Main hat dennoch eine eigentlich nur im Rahmen des Art. 6 Abs. 1 S. 1 lit. f) DSGVO mögliche Interessanabwägung vorgenommen und das Interesse an der Berichterstattung für höher gewertet.

Das Urteil liegt noch nicht in der Begründung vor. Diese dürfte aber spannend zu lesen sein.

EuGH zum Widerrufsrecht auf einer Messe

Wir hatten es an dieser Stelle schon zweimal besprochen (hier und hier), jetzt hat der EuGH entschieden (EuGH, Urteil v. 7. August 2018) :

Ob Verbraucher bei Käufen auf einem Messestand ein Widerrufsrecht haben, hängt vom Erscheinungsbild des Messestandes ab. Es geht, auf den Punkt gebracht, um die Frage, ob der Verbraucher damit rechnen konnte, dass ein Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen. Konnte er damit rechnen, handelt es sich nicht um einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag im Sinne von § 312b BGB. Dann gibt es auch kein Widerrufsrecht.

Bei dem Merkmal “dauerhafte Ausübung der Geschäftstätigkeit” und “gewöhnliche Ausübung der Geschäftstätigkeit” (beide notwendig für das Vorliegen eines Geschäftsraumes, vgl. § 312b Abs. 2 BGB, Art. 2 Nr. 9 VRRL [RL 2011/83/EU) komme es laut EuGH gerade nicht darauf an, wie oft ein Unternehmer auf einer Messe ist. Dies würde ja auch zu dem absurden Ergebnis führen, dass auf dem Messestand links ein Widerrufsrecht besteht, weil der Unternehmer häufig auf Messen ist und auf dem Messestand rechts daneben keines, weil der Unternehmer vielleicht nur einmal im Jahr einen Messestand hat. Entscheidend sei also nicht, wie häufig der Unternehmer einen Messestand hat, sondern wie sein Stand aussieht: Ganz im Sinne des Verbraucherschutzes, welcher darauf abstellt, ob der Verbraucher mit einem Vertragsschluss rechnen musste oder nicht. Musste er nicht damit rechnen, ist er schutzwürdig und hat das Recht, sich vom Vertrag zu lösen.

Allerdings: Je nach Erscheinungsbild des Standes kann das Bestehen eines Widerrufsrechts auch nach dieser Entscheidung bei unterschiedlichen Ständen auf einer Messe unterschiedlich beurteilt werden.

Der EuGH definiert den Geschäftsraum, wenn

wenn in Anbetracht aller tatsächlichen Umstände rund um diese Tätigkeiten und insbesondere des Erscheinungsbilds des Messestandes sowie der vor Ort auf der Messe selbst verbreiteten Informationen ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger Verbraucher vernünftigerweise damit rechnen konnte, dass der betreffende Unternehmer dort seine Tätigkeiten ausübt und ihn anspricht, um einen Vertrag zu schließen, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

(Rn. 46 des Urteils).

Die Gerichte müssen sich also in Zukunft die einzelnen Stände ganz genau ansehen. Dies dürfte im Nachhinein schwierig werden.

Anwaltsvertrag als Fernabsatzvertrag

Wenig überraschend hat der BGH in einem Urteil den Anwaltsvertrag als Fernabsatzvertrag im Sinne des § 312c BGB qualifiziert, wenn er mit Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen wurde (BGH, Urt. v. 23.11.2017 – Az. IX ZR 204/16).

Streitig war der zweite Teil des Absatzes 1 des § 312c BGB:

Fernabsatzverträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertragsverhandlungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkommunikationsmittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt.

In der Literatur wurde zum Teil die – meines Erachtens etwas abwegige -Meinung vertreten, dass aufgrund der besonderen Vertrauensbeziehung des Rechtsanwalts zu seinem Mandanten niemals ein für den Fernabsatz organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem vorliegen kann. Dem hat der BGH in der Entscheidung eine klare Absage erteilt.

Er hat aber auch deutlich gemacht, dass die Formulierung „es sei denn“ eine Vermutungswirkung aufstellt: Trägt der Anwalt also nichts vor, was gegen ein solches organisiertes Vertriebs- oder Dienstleistungssystem spricht und kann er dies nicht beweisen, greift der Ausschluss nicht. Dies dürfte nur sehr schwer zu erreichen sein. Dem Rechtsanwalt in dem Verfahren gelang es nicht.